Grazer Startup Barometer 2023
Hohe Inflation, Zinswende, Lieferkettenprobleme und die schwache Konjunktur fordern die Grazer Startup-Szene mehr noch als in den vergangenen schwierigen Jahren heraus und wirken sich auf die Geschäftserwartung aus. Der Gründungsstandort Graz wird dennoch besser bewertet als je zuvor. Das zeigen die Ergebnisse des Grazer Startup Barometer 2023.
Teilnehmer:Innen
115
Bewertung Standort
5,30 (1 bis 7)
Bewertung Finanzierung
4,10 (1 bis 7)
Allgemeine Infos zur Umfrage
- Der Grazer Startup Barometer ist die größte Umfrage zur Entwicklung der Startup-Landschaft in Graz und zeichnet alljährlich ein aktuelles Bild der Stimmungslage in der lokalen Szene. Die Befragung ist eine Initiative des studentischen Gründungsvereins Ideentriebwerk, des Zentrums für Entrepreneurship an der Universität Graz, des Unicorn Startup & Innovation Hub und der Gründungsgarage.
- In der repräsentativen Online-Umfrage, die heuer bereits zum zehnten Mal durchgeführt wurde, äußerten 115 Teilnehmer:innen ihre Meinung zum Grazer Startup-Umfeld – darunter Gründer:innen, Mitarbeiter:innen von Startups, Personen mit Interesse an einer Unternehmensgründung, Investor:innen und Gründungsberater:innen.
- Die Teilnehmenden bewerteten dabei verschiedene Aspekte des Gründungsstandorts wie die vorhandene Infrastruktur, die verfügbaren Förder- und Beratungsmöglichkeiten oder das Angebot an qualifizierten Fachkräften. Zudem gaben sie Einblicke in die Beweggründe für ihre Unternehmensgründung und bewerteten die finanzielle Situation am Standort.
Der Gründungsstandort Graz verbessert sich weiter
- Der Gründungsstandort Graz wurde mit durchschnittlich 5,30 bewertet (Skala von 1 bis 7). Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr gesteigert (5,10) und ist gleichzeitig der höchste Wert seit Befragungsbeginn im Jahr 2014 (3,94). Über den Betrachtungszeitraum von zehn Jahren hat sich Graz in der Beurteilung der Befragungsteilnehmenden somit deutlich verbessert.
- Ebenfalls deutlich verbessert hat sich die Finanzierungslage für Gründungsprojekte. Diese wurde aus Sicht der Szene mit durchschnittlich 4,10 bewertet – ein Höchststand. Im Jahr 2022 betrug dieser Wert noch 3,90, im Jahr 2014 überhaupt nur 2,57. Rückzuschließen ist das vor allem auf eine verbesserte Finanzierungssituation für Startups in der Pre-Seed- und Seed-Phase.
- Die einzelnen Gründungsfaktoren haben sich in Graz größtenteils ebenfalls verbessert. Der Faktor „Leistbare Büro-Infrastruktur“ wurde heuer durch die Befragten wieder etwas besser bewertet (4,71). Der Wert hatte sich im Vorjahr (4,58) nach dem Höchstwert im Jahr 2021 (5,15) unter dem Eindruck steigender Immobilien- und Mietpreise erheblich verschlechtert.
- Die auffälligste Verbesserung zeigt sich bei der Bewertung des Potenzials an qualifizierten Mitarbeiter:innen. Hier bewertet die Gründer:innenszene den Standort mit 5,03 – der höchste Wert seit Beginn der Erhebung. 2022 fiel der Wert noch deutlich niedriger aus (4,68). Bei der ersten Befragung 2014 betrug dieser gar nur 4,32.
- Die Bewertungen von Förderangebot (4,71) und Beratungsangebot (5,10) in Graz fallen 2023 etwas höher aus. Diese Werte bewegen sich im Mittel der Vorjahre und haben sich über die Jahre deutlich verbessert (2016 noch 3,73 bzw. 4,27 von 7).
- Überraschend schlechter bewertet als im Vorjahr wurde das Angebot an Startup-relevanten Events (5,04 statt 5,43) und die Vernetzung in der Gründer:innen- und Startup-Szene (5,17 statt 5,56). Damit bilden sie dennoch (mit) die besten bewerteten Standortfaktoren der Startup-Stadt Graz.
Wachstum bei Grazer Startups
- 35% der Startups möchten in den nächsten 3 Jahren sehr schnell wachsen (Umsatz mind. verdoppeln). Im Jahr 2022 lag dieser Wert bei 44%, 2021 sogar bei 51%. Grazer Startups blicken somit etwas vorsichtiger in die Zukunft. 28% möchten in den Folgejahren moderat wachsen (zwischen 50% und 100% Wachstum).
- Mehr und mehr Startups (24%) planen mit einem langsameren Wachstum in den nächsten Jahren). Im Jahr 2022 lag dieser Wert noch bei 18%, 2021 bei 8%.
- Diese Unsicherheit für die Zukunft zeigt sich auch bei den Neueinstellungen. Das Mitarbeiter:innenwachstum nimmt als Unternehmensziel unter dem Eindruck herausfordernder Zeiten wesentlich weniger Bedeutung ein als zuletzt (2023: 9%, im Vorjahr 2022: 35%). Startups aus Graz stellen in den nächsten 12 Monaten im Durchschnitt nur 1,80 neue Mitarbeiter:innen zusätzlich ein, reduzieren also die Neueinstellungen. In den Jahren 2021 und 2022 stellten die Startups noch 3,66 bzw. 2,94 neue Mitarbeiter:innen ein. 35% der Startups planen derzeit keine Neueinstellungen. Wenn eingestellt wird, dann sind das meist eine neue Person (17%) oder zwei neue Personen (26%).
- Nur 9% der Startups erwarten für 2024 einen Mitarbeiter:innenzuwachs von über 5 Personen. Dieser Wert lag 2022 bei 18% und 2021 bei 32%. Nur während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 war dieser Wert ähnlich niedrig (13%).
Die Finanzierungslage ist herausfordernd
- Grazer Startups greifen stärker auf Finanzierung aus eigenen Mitteln zurück. Die Finanzierung aus eigenen Ersparnissen steigt auf 82%, während die Finanzierung durch Cash Flow (34%) und Familien- und Freundeskreis (11%) leicht sinkt.
- Nur 41% haben bisher eine Finanzierung durch externes Kapital erhalten, speziell unter den frisch gegründeten Unternehmen.
- Die Start-ups nehmen vermehrt wieder Förderungen in Anspruch (39%), während Bankkredite weiter an Bedeutung verlieren (von 16% auf nun 7%). Die Finanzierung durch Business Angels (von 25% auf 11%) und durch VCs (von 16% auf 9%) ist rückläufig.
- 47% der Finanzierungen mit externem Kapital erfolgen in der Frühphase, also in den ersten drei Jahren, und dabei hauptsächlich bis 500.000 Euro (37%). Auch bei Startups in der Wachstumsphase (älter als drei Jahre) sind Finanzierungssummen unter 500.000 Euro am bedeutsamsten (32%). 32% aller Finanzierungen sind über 500.000 Euro, davon 21% sogar über 1 Million Euro.
- Nur mehr 47% der befragten Startups planen eine Finanzierungsrunde in den nächsten 12 Monaten. Dieser Anteil sinkt seit 2021 kontinuierlich (2022: 53% | 2021: 65%). 29% aller Startups planen eine Finanzierung bis 500.000 Euro, 24% möchten mehr einsammeln (2022 jeweils 32%).
- Bei Frühphasen-Startups zeigt sich wenig Veränderung: 36% dieser Startups planen eine Finanzierungsrunde bis zu 500.000 Euro, 22% darüber. 43% planen keine Finanzierung.
- Bei Startups in der Wachstumsphase (3 Jahre +) verschlechtert sich die Lage hingegen deutlich: Nur 29% planen eine Kapitalaufnahme über 1 Million Euro. 53% planen keine Finanzierung in den kommenden zwölf Monaten. (2022: 57% bzw. 29%).
Grazer Gründer:innen sind jung, akademisch und häufig männlich
- 35% der Startup-Gründer:innen sind zwischen 26 und 35 Jahre alt. Weitere 33% sind zwischen 18 und 25 Jahre alt.
- 33% ordnen ihr Startup der Branche Dienstleistung zu. Graz ist weiters durch Startups in den Bereichen IT & Softwareentwicklung (28%), Energie und Mobilität (13%), Life Sciences wie BioTech und HealthTech (13%) und Hardware/Elektronik (11%) geprägt.
- Klassische Gründer:innen in Graz sind Akademiker:innen (80%) mit einem Bachelor- (24%), Master- (39%) oder Doktoratsabschluss (17%). Für 11% ist die Matura der höchste Bildungsabschluss, für 4% die Lehre.
- Die Grazer Startup-Szene ist nach wie vor größtenteils männlich (72%). 26% der Founder sind weiblich, etwas unter 2% identifizieren sich mit einem anderen Geschlecht. 33% der Gründungen haben eine Gründerin im Startup-Team.
Vor- und Nachteile des Gründungsstandortes Graz
- Als Vorteile des Gründungsstandortes Graz werden das lebendige und breite Netzwerk des Startup-Ökosystems, das innovative Potenzial an den Grazer Universitäten und Hochschulen, das gute Unterstützungsangebot in frühen Phasen der Unternehmensgründung und der Zugang zu Talenten gesehen.
- Die befragten Personen sehen Verbesserungspotenziale vor allem in der Beschaffung von Risikokapital bei größeren Finanzierungssummen, beim Fachkräftemangel, der die Rekrutierung neuer Talente erschwert und der Internationalität des Standortes Graz. Letzteres bezieht sich besonders auf die Sichtbarkeit als Startup City, die verkehrstechnische Anbindung und den Austausch mit internationalen Startup-Netzwerken.
Zusammenfassung der Ergebnisse
- Graz ist ein gutes Pflaster für Startup-Gründungen. Dies zeigt die Bewertung des Gründungsstandortes Graz, die den Höchstwert seit Befragungsbeginn im Jahr 2014 bildet (5,30 von 7). Die einzelnen Standortfaktoren wie Förderungsangebot, Vernetzungsmöglichkeiten und qualifizierte Fachkräfte vor Ort werden durch die Teilnehmenden als sehr gut bewertet.
- Die herausfordernde wirtschaftliche Lage und schwierige Finanzierungsumstände stellen eine wachsende Belastung für Grazer Startups dar. Viele Startups treten daher bei ihren Wachstumsplänen seit 2021 stärker auf die Bremse.
- Die Gründer:innen der lokalen Startup-Szene hatten in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Finanzierungslage viel Grund zur Freude. Während der Pandemie profitierten sie von einem Aufschwung in der Digitalisierung und somit auch von steigenden Investorengeldern. Dies scheint sich nun vor allem bei Finanzierungen in der Wachstumsphase nun zu ändern.
- Für Grazer Startups stehen heuer vor allem das Umsatzwachstum (50%), die Produktentwicklung (41%) und speziell die Profitabilität (39%) im Fokus. Die größten Herausforderungen sind derzeit der Vertrieb/die Kund:innenakquise (52%), die Liquidität (33%) und die Produktentwicklung (28%).
- Befragt zur Einführung der flexiblen Kapitalgesellschaft FlexKap und zum neuen Start-up-Förderungsgesetz, würden 43% ihr Startup nun in dieser neuen Gesellschaftsform gründen. Gleichzeitig zeigen sich nur 47% mit der neu ausgestalteten Startup-Unterstützung in Österreich zufrieden und fordern weitere Unterstützungsmaßnahmen.
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