Die Grazer Startup-Szene ist 2022 trotz multipler Krisen mehr als bereit, den Herausforderungen der Zukunft unternehmerisch entgegenzutreten. Zu diesem Ergebnis kommt der Grazer Startup Barometer 2022, den die Kooperationsgemeinschaft aus Ideentriebwerk, Karl-Franzens-Universität Graz und der Gründungsgarage nun veröffentlicht hat. Die jährliche Befragung zur Entwicklung der Grazer Gründungs-Szene zeigt, dass die Gründungsvoraussetzungen am Wirtschaftsstandort Graz nach wie vor sehr gut sind. Zugleich ist der Ausblick in das kommende Jahr jedoch leicht eingetrübt.
TeilnehmerInnen
81
Bewertung Standort
5,10 (1 bis 7)
Bewertung Finanzierung
3,90 (1 bis 7)
Allgemeine Infos zur Umfrage
- Der Grazer Startup Barometer ist die größte Befragung zu Startups und Unternehmertum am Wirtschaftsstandort Graz und ist eine Initiative des studentischen Gründungsvereins Ideentriebwerk, der Karl-Franzens-Universität Graz und der Gründungsgarage. Die Befragung wird jährlich seit 2014 durchgeführt und sammelt Infos zum Stimmungsbild in der Grazer Startup-Szene.
- Im Zuge der repräsentativen Online-Umfrage wurden im Sommer 2022 81 TeilnehmerInnen – GründerInnen, Startup-Interessierte, MitarbeiterInnen von Startups, InvestorInnen und Startup-BeraterInnen aus dem Großraum Graz – zu ihrer Wahrnehmung des Grazer Startup-Ökosystems befragt.
- Sie äußerten dabei ihr Feedback unter anderem zu aktuellen Herausforderungen und Zielen, zum vorhandenen Förder- und Beratungsangebot, zur Finanzierungslage, zum MitarbeiterInnenpotenzial in Graz oder zur Infrastruktur.
Bewertung des Gründungsstandortes Graz sinkt leicht, bewegt sich auf hohem Niveau
Die multiple Krisenlage wirkt sich zwar in den Ergebnissen des Grazer Startup Barometers 2022 negativ aus, wenngleich sich die Veränderungen grundsätzlich im Mittel der Vorjahre bewegen.
- Der Standort im Allgemeinen wurde mit durchschnittlich 5,10 bewertet.
- Damit fällt die Bewertung auf den hohen Stand von 2019 zurück (Skala von 1 bis 7):
(2014: 3,94 / 2019: 5,21 / 2020: 5,10 / 2021: 5,25 / 2022: 5,10).
Beinahe alle Werte in der Bewertung der Gründungsfaktoren am Gründungsstandort Graz haben sich im Vergleich zu 2021 – das bisher beste Jahr der Befragungsreihe – leicht verschlechtert. Zum Teil bilden die heurigen Werte mit unter die höchsten Werte seit Befragungsbeginn 2014.
- Startup-Events: 5,43 (war 2021: 5,56; war 2020: 5,31)
- Beratungsangebot: 5,09 (war 2021: 5,34; war 2020: 4,99)
- Förderungsangebot: 4,63 (war 2021: 4,73; war 2020: 4,55)
Startup-relevante Events und das Beratungsangebot in Graz werden etwas schlechter als in den vergangenen Jahren beurteilt, sind jedoch auf hohem Niveau. Die Beurteilung des Förderangebots stagniert weiterhin auf mittlerem Niveau.
- Büro-Infrastruktur: 4,58 (war 2021: 5,15; war 2020: 4,80)
- Potenzial an qualifizierten MitarbeiterInnen: 4,68 (war 2021: 4,88; war 2020: 4,95)
Besonders auffällig sind im Jahr 2022 die Bewertungen von Büro-Infrastruktur und MitarbeiterInnenpotenzial. Die Beurteilung des Potenzials an qualifizierten MitarbeiterInnen fällt nach stetigem Aufstieg in den vergangenen Jahren deutlich. Auch die Verfügbarkeit an leistbarer Büroinfrastruktur hat sich laut Befragung merklich verschlechtert.
- Vernetzung in der Gründer- und Startup-Szene: 5,56 (war 2021: 5,49; war 2020: 5,37)
Die Beurteilung der Vernetzung in der Szene hat sich 2022 – wohl auch unter dem Eindruck der endenden Corona-Krise – weiter verbessert, bleibt jedoch leicht unter dem Höchststand von 2019.
- Finanzierungssituation: 3,90 (war 2021: 3,96; war 2020: 3,83)
Überraschend fällt die Beurteilung der Finanzierungssituation in Graz aus. Diese bleibt auf gleichem Niveau wie 2021 und liegt somit nahezu am Höchststand.
Startup-Wachstum trotz der Krise
Das Wachstum bei Grazer Startups ist nach wie vor auf Geschwindigkeit ausgerichtet, aber der Blick in die Zukunft ist deutlich gedämpfter als noch 2021.
- 44% möchten ihren Umsatz in den nächsten drei Jahren mindestens verdoppeln (war 2021: 51%)
- 32% hingegen möchten moderat wachsen, also zwischen 50% und 100% des Umsatzes zulegen (war 2021: 41%)
- Langsames Wachstum (weniger als 50%) gewinnt daher an Bedeutung: 18% (war 2021: 8%)
Derzeit beschäftigen die befragten Startups im Schnitt 6,65 MitarbeiterInnen (3,94 VZ & 2,71 TZ). 59% der MitarbeiterInnen sind dabei vollzeitbeschäftigt. Trotz trüber wirtschaftlicher Aussichten möchten die befragten Startups in den nächsten 12 Monaten mindestens 100 neue Jobs schaffen bzw. durchschnittlich 2,94 MA pro Startup neu einstellen. Im Vergleich zu 2021 fällt dieser Zuwachs niedriger aus (3,66 MA), im Vergleich zu 2020 ist er jedoch noch deutlich höher (2,49 MA).
- Der große Wachstumsschub ist jedoch etwas schaumgebremst: Nur 18% der Startups erwarten für 2023 einen MitarbeiterInnenzuwachs von über 5 Personen (war 2021: 32%). Dieser Wert lag 2020 jedoch bei 13%.
- Wirtschaftspolitisch haben Startups nach wie vor eine große Bedeutung für den Standort Graz. Rechnet man diese Werte auf die Gesamtzahl der Grazer Startups hoch, ergibt das Potenzial in Summe bis zu 2.000 Beschäftigte.
Unternehmensziele und Herausforderungen der Grazer Startups
Ein Fokusthema der Befragung zum Grazer Startup Barometer 2022 waren die Unternehmensziele und Herausforderungen der lokalen Startups in Zeiten multipler Krisen.
Unternehmensziele: Für Grazer Startups stehen derzeit vor allem die Produktentwicklung (62%) und das Umsatzwachstum (56%) im Fokus. Expansion (27%), soziale oder ökologische Ziele (jeweils 18%) sind derzeit eher nachrangig.
Herausforderungen: Die größten Herausforderungen von Grazer Startups sind derzeit die KundInnenakquise (47%), die Liquidität (38%) und die Produktentwicklung (38%).
Finanzierung: Die Finanzierungslage bleibt weitestgehend stabil
Finanzierungsart
- Finanzierung aus eigenen Mitteln ist nach wie vor die erste Wahl der Grazer Startups bei der Finanzierung: Eigene Ersparnisse: 78,1%, Bootstrapping: 34,4%, Family & Friends: 15,6%.
- 41% haben bisher keine Finanzierung durch externes Kapital erhalten (war 2021: 31%).
- Förderungen werden weniger bedeutsamer: 34,4% (war: 50%), selbiges gilt für Bankkredite: 15,6% (war: 18,4%)
- Die Finanzierung durch Business Angels bleibt auf gutem Niveau: 25% (war: 28,9%), die Finanzierung durch VCs ist nur etwas gesunken: 15,6% (war: 18,4%)
Finanzierungssumme
- Für Gründungsprojekte werden hauptsächlich Summen unter 50.000 Euro aufgestellt (35%), dieser Wert sinkt aber seit 2020, da tendenziell höhere Summen aufgestellt werden.
- 25% der Finanzierungen hatten eine Finanzierungssumme über 500.000 Euro.
Geplante Finanzierungsrunde
- 65% der Startups planen in den nächsten 12 Monaten eine Finanzierungsrunde. 32% davon möchten eine Finanzierung bis 500.000 Euro, weitere 33% mehr als das einsammeln.
- 41% der Startups in der Frühphase (jünger als 3 Jahre) planen eine Finanzierungsrunde bis zu 500.000 Euro, 22% darüber. 37% planen keine Finanzierung.
- 57% der Wachstumsprojekte (älter als 3 Jahre) planen eine Kapitalaufnahme von 1 bis 10 Millionen Euro. 29% planen keine Finanzierung.
Zusammenfassung der Ergebnisse
- Die Startup-Szene in Graz erweist sich nach einem gesamtwirtschaftlich schwierigen Jahr 2022 mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der Lieferketten- und Energiekrise und konjunkturell mäßigen Aussichten für 2023 nach wie vor als krisenfest. Startups bleiben mit einem geschätzten Beschäftigungspotenzial von über 2.000 Beschäftigten ein wichtiger Faktor des Wirtschaftstandortes Graz.
- Die Gründungsvoraussetzungen am Wirtschaftsstandort Graz sind nach wie vor sehr gut, die Standortfaktoren bleiben weitestgehend stabil, wenn auch leicht sinkend im Vergleich zu den Höchstwerten aus dem Vorjahr.
- Grazer Startups schätzen die lebendige Szene, die hohe Qualität der Universitäten und Hochschulen und das Beratungsangebot. Die Beurteilung von Inkubatoren/Finanzierung und der Unterstützung der öffentlichen Hand fallen 2022 besser aus als in den Vorjahren.
- Potenziale zur Verbesserung des Standortes Graz liegen wie auch in den Vorjahren besonders in der internationalen Vernetzung und der Sichtbarkeit als Gründerstadt. Zudem wird die nach Meinung der Startups schwach ausgeprägte Verfügbarkeit von Risikokapital am Standort als verbesserungswürdig angesehen. Fachkräftemangel und steigende Kosten wurden als Themenkomplexe häufiger genannt als noch 2021.
Weitere spannende Fakten zu Grazer Startups
- 42% der Befragten sind zwischen 26 und 35 Jahre alt. Die große Mehrheit der Befragten (88%) besitzt akademische Bildung.
- Die befragten Grazer Startup-Teams sind hauptsächlich den Branchen IT & Softwareentwicklung (35%), Dienstleistung (29%), Hardware & Elektronik (18%) und Life Sciences (BioTech, HealthTech) (15%) zuzuordnen.
- 50% der Gründungen haben eine Gründerin im Gründungsteam. 50% der Startup-Gründungen sind rein männlich.
- Die geniale Idee (35%) und die Selbstverwirklichung (27%) sind die wesentlichen Treiber für Unternehmensgründungen. Im Vergleich zu 2021 haben diese beiden Faktoren den Platz getauscht.
- Das Gründungsangebot der Grazer Hochschulen wird mit durchschnittlich 4,45 (Skala von 1 bis 7) tendenziell gut bewertet.